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Wer bist du - was sind deine Wurzeln: Welche Kulturen & Nationalitäten sind in dir vereint und haben dich von Kindesbeinen an begleitet und geprägt
Geboren bin ich zur Revolutionszeit 1979 in Isfahan im Iran. Aufgewachsen bin ich in Hessen, in der Nähe von Limburg, der Heimat meiner Mutter. Ich habe mich nie irgendwo "beheimatet" gefühlt.
In unserer Ortschaft gab es außer uns noch ein paar Polen und in der Schule ein paar Afrikaner, zu denen ich ein super Verhältnis hatte. Ansonsten gab es nicht viele Kinder mit ausländischen Wurzeln. Ich habe mich stets ''anders" gefühlt; meine deutschen Freunde haben mich aber nicht wirklich als "Ausländer" empfunden, zumindest in meinen jüngeren Jahren, obwohl sie meine Eltern beide kannten.
Wie war es für dich, mit mehreren kulturellen Einflüssen und Werten aufzuwachsen
Da meine Mutter acht Jahre im Iran gelebt und gearbeitet hat, konnte sie gut Farsi sprechen und super persisches Essen kochen. Meine Eltern zogen mich allerdings nur deutschsprachig auf - leider. Erst später zeigte ich mehr Interesse und habe mir die persische Sprache "Farsi" ein wenig selbst angeeignet. Heute spreche ich auf dem Level einer Dreijährigen.
Zu Hause haben wir also Deutsch gesprochen, aber hörten unter anderem persische Musik, gekocht wurde persisch und auch anhand der Einrichtung war deutlich der persische Einfluss zu erkennen. Allerdings hauptsächlich mit der Handschrift meiner Mutter. Sie war sehr bedacht darauf, dass mein Vater seine Kultur hier um sich hat. Viele persische Freunde hatte er nicht hier, aber ein Teil seiner Familie lebt auch in Deutschland und somit hatten wir als Kinder engen Kontakt zu meiner Tante, meinem Onkel, meinen Cousinen und Cousins väterlicherseits. Für mich war es toll, diese zwei Kulturen in mir vereint zu haben. Es kam allerdings auch zu einigen Spannungen und Herausforderungen in der Erziehung. Mein Vater war recht streng und hatte andere Vorstellungen, was beispielsweise die "Ausgangszeiten" seiner Tochter anging.
Was waren und sind die größten kulturellen Einflüsse in deinem Leben
Die größten und schönsten kulturellen persischen Einflüsse sind die Lebensfreude, die sich oft in Musik und Kunst, gemeinsames Essen und im herzlichen Umgang miteinander ausdrückt.
Die schönsten kulturellen deutschen Einflüsse sind die Verlässlichkeit, in gewissem Maße das Ordnungsliebende und Organisierte. Ich liebe beide Kulturen sehr und weiß vieles zu schätzen, was mir mitgegeben wurde.
Worin besteht der größte Unterschied der Kulturen - Wertesystemen, in denen du aufgewachsen bist
In der persischen Kultur wird Gastfreundschaft sehr groß geschrieben. Auch wenn es selten mal nicht wirklich echt ist, hat man im persischen öffentlichen Leben als Gast immer das Gefühl, verwöhnt zu werden. In Deutschland weiß man eher, woran man ist. Die Menschen zeigen, ob sie Dich wirklich mögen oder nicht.
Leider empfinde ich es so, als ob die Erziehung in Deutschland sehr mit Angst verbunden ist. Es herrscht eine gewisse Skepsis in allem. Es bringt ein Sicherheitsbewusstsein, aber auch eine gewisse Schwere in den Alltag, die es so im Persischen nicht gibt. Dort gibt es zwar auch eine gewisse Melancholie. Man trauert der alten Kultur und den früheren Zeiten nach. Aber im Alltäglichen herrscht mehr Lebensfreude.
Wie kannst du diese Gegenpole in dir dennoch vereinen/ mit ihnen leben
Ich habe für mich die Lebensfreude und das Unbeschwerte mitgenommen. Auch die Gastfreundschaft, das Leben feiern zu wollen und den Optimismus. Trotz allem bin auch ich sicherheitsbewusst und versuche, für meine Familie vorzusorgen und alles in "trockene Tücher" zu bringen. Aber ich habe eine Gelassenheit in mir, die es mir möglich macht, Dinge, die ich nicht ändern kann, hinzunehmen und trotzdem das Beste daraus zu machen.
Hattest du als Kind und Heranwachsende das Gefühl, durch deine Wurzeln auf irgendeine Art anders oder fremd zu sein - wo genau warst du fremd und welche Erfahrungen haben dich geprägt
Als Kind hatte ich nicht wirklich das Gefühl, anders zu sein, außer wenn ich bei Freundinnen war, deren Eltern mich zum Mittagessen heim geschickt haben, statt mich bei ihnen einzuladen. So was kannte ich überhaupt nicht. Bei meiner Familie, sowohl auf der deutschen Seite als auch auf der persischen Seite, waren immer alle willkommen mitzuessen.
Als Teenager habe ich mich mehr mit meinen persischen Wurzeln befasst. Ich merkte, dass ich anders war und auch irgendwie stolz darauf. Auch mein Freundeskreis erweiterte sich zu einem "multi-kulti-Freundeskreis" und ich fühlte mich unter anderen ausländischen Teenagern mehr zu Hause als bei einigen meiner deutschen Freunde. Wir hatten einen ähnlichen Humor, den gleichen Musikgeschmack und waren eben alle "anders".
Meine deutschen Freundinnen waren mir jedoch nicht weniger wert und lieb. Aber ich habe gespürt, dass ich ein wenig "bunter" war und mochte das auch. Außerdem gab es bei ausländischen Freunden weniger Neid und Geiz. Da hörte ich nie Sätze wie: "du schuldest mir noch 10 Pfennig, die ich dir gestern geliehen hab!", oder Ähnliches. Allerdings hatte und habe ich auch noch heute fantastische deutsche Freundinnen, die mir mit sehr viel Großzügigkeit, Lebensfreude, Hilfsbereitschaft und Liebe begegnen und für die ich sehr dankbar bin.
Welchen Nutzen / Gewinn ziehst du aus deiner kulturellen Vielfalt, worin siehst du die Stärken
Die Stärke liegt in der Entwicklung der Sichtweise, dass Du keinen Menschen aufgrund der Herkunft be- und/oder verurteilen darfst. In beider meiner Kulturen gibt es schöne und weniger schöne Seiten. Ich habe in meinen beiden Familien zweigen erlebt, dass es Höhen und Tiefen gibt, viel Liebe, aber auch Neid und Streitigkeiten. Ich habe gelernt, Menschen so zu nehmen, wie sie sind und das Beste aus beiden Kulturen mitzunehmen: Sowohl das Musikalische/Künstlerische beider meiner Eltern, das offene und freundliche Haus für meine Gäste, die Lebensfreude, die mir beide mitgegeben haben, den Sinn für das Spirituelle von meiner Mutter und den Optimismus meines Vaters. Meine Eltern sind sich viel ähnlicher, als sie denken und als es mir in meiner Jugend bewusst war. Sie sind es, die mich gelehrt haben, dass man nicht sagen kann, dass einer von beiden "typisch deutsch" oder "typisch persisch" ist.
Kannst du uns eine Geschichte erzählen, die zeigt, wie sehr die Kulturen/Wertesysteme in denen du aufgewachsen bist aufeinander geprallt sind - etwas erheiterndes - skurriles - ernstes - nachdenkliches - trauriges
Mein Vater war sehr streng in meiner Jugend. Ich war das einzige Mädchen, das mittlere Kind, mein älterer Bruder hatte sich nicht sehr für's Ausgehen interessiert. Dementsprechend war das meine Aufgabe. Leider habe ich zu der Zeit ziemlich darunter gelitten, dass ich nicht so viel ausgehen konnte, wie meine Freundinnen, bzw. schon um Mitternacht zu Hause sein musste, wenn oft die Party erst so richtig losging. Die Eltern meiner Freundinnen holten ihre 1öchter unter Umständen von den Partys nachts um 2:00 Uhr ab. Bei meinem Vater gab es so was nicht. Wir mussten, bis zu unserem achtzehnten Lebensjahr, meistens um aller spätestens 1:00 Uhr zu Hause sein. Ich durfte mich auch nicht schminken oder meine Haare tönen.
Wo ist deine Heimat - wo fühlst du dich zu Hause - wie viele „Heimaten" hast du
Als Jugendliche, als auch als junge Erwachsene habe ich mich tatsächlich weder in Deutschland noch im Iran "zu Hause" gefühlt. Das Gefühl von zu Hause habe ich erst, seitdem ich mit meinem jetzigen Partner in dem Haus wohne, eine Ortschaft weiter von dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin.
Mit 19Jahren war ich als junge Flugbegleiterin zum ersten Mal in Kapstadt, wo ich verrückterweise das erste Mal ein Gefühl von "Heimat" in mir spürte, obwohl das mit rationalem Verstand völlig unverständlich ist. Weder bin ich dort geboren, noch aufgewachsen. Aber irgendwas hat mich mit diesem Ort verbunden. Ich kann mich noch sehr gut an jenes Gefühl damals erinnern: mir liefen die Tränen beim Landeanflug über den Tafelberg und als wir gelandet waren und ich aus dem Flugzeug stieg, ging mir nur der Gedanke durch Mark und Bein: "Endlich zu Hause!" Seitdem ich in meiner jetzigen Partnerschaft bin, habe ich auch jetzt so ein Gefühl von angekommen sein, wenn ich zu uns nach Hause komme. Mittlerweile bin ich sehr glücklich, wo ich angekommen bin, mit Mann und Sohn und freue mich, heimzukommen.
Kennst du das Gefühl von Heimweh? Wonach genau sehnst du dich dann
Ich kenne das Gefühl von Heimweh immer nur in Verbindung mit Menschen, nicht mit einem Ort. Meine Eltern sind so eine starke Verbindung, die ich vermisse, wenn ich sie länger nicht sehe, bedingt durch Reisen oder Konzert-Touren. Meinen Sohn vermisse ich, wenn er nur einen Tag lang bei seinem Vater oder bei Freunden ist. Meinen Mann vermisse ich, sobald er aus dem Haus geht. Aber ein Gefühl von Heimweh auf einen bestimmten Ort bezogen habe ich nicht. Ich sehne mich nach wärmerem Wetter und dem Strand und könnte mir vorstellen, irgendwann mal direkt an den Strand zu ziehen, aber das hat - glaube ich - nichts mit Heimatgefühlen zu tun.
Was inspiriert dich - gibt es einen Leitsatz/Zitat - beispielsweise deiner Eltern/Großeltern der dich geprägt hat, dich durchs Leben begleitet, dich trägt/tröstet
Es gibt ein persisches Gedicht von einem Dichter namens Saadi, das ich von meinem Vater gelernt habe. Es besagt, dass unsere Leben so klein und fast unbedeutend scheinen, im Vergleich zum gesamten Universum... es liegt aber an uns, so etwas Bedeutendes daraus zu machen, um unseren Nachkommen etwas zu hinterlassen, was auch unserem Leben Bedeutung schenkt.
Abschließend - was lässt dich in deinem Leben wurzeln - was schenkt dir Flügel
Meine Familie schenkt mir Wurzeln und meine Musik lässt mich fliegen (und der Aufforderung des Gedichts von Saadi nachkommen). Mein Sohn und mein Mann, als auch meine Eltern und meine Brüder und Cousinen und Cousins sind mir sehr wichtig und lassen mich gerne Wurzeln schlagen. Meine Musik trägt meine Seele und verleiht mir Flügel. Als Künstlerin/ Songtexterin/Sängerin habe ich vielleicht nicht die ursprünglichen Erwartungen eines persischen Vaters erfüllt, und auch meiner Mutter war die Relevanz meiner "Berufung" lange Zeit nicht bewusst oder verständlich. Aber mittlerweile haben auch sie es verstanden, mit erlebt und unterstützen mich, so gut sie können. Dafür bin ich sehr dankbar, das erdet mich und verleiht mir gleichermaßen Flügel.
Ein Herz,
das liebt,
ragt an des
Himmels Zinne
(persisches Sprichwort)